Fremdes begegnet uns immer wieder, fasziniert und wirkt anziehend. Fremde Länder, Kulturen, Menschen oder eben bestimmte Orte. Unbekanntes habe ich schon immer als reizvoll empfunden. Neugier macht unser Leben spannender. Ein Ort, der mein Interesse besonders geweckt hat: das Kloster. Ein göttliches Haus, wo den ganzen Tag gebetet wird, abgeschottet von der Welt? Stille Gemeinschaft. Spiritualität. Ein Kraftzentrum, wie ich schnell erfahren werde.
Das Wissen über Klöster ist voller Vorurteile. Tatsächlich muss man sich fragen: Wie viele Menschen haben in ihrem Leben überhaupt schon einmal ein Kloster aufgesucht? So fallen auch die Reaktionen sehr konträr aus, als ich im Familien- und Freundeskreis von meiner geplanten Auszeit berichte. Neben positiven Rückmeldungen folgen Fragen wie: „Hast du denn überhaupt eine Verbindung zur Kirche“? „Seid wann bist du so gläubig“? oder ganz banal: „Was willst du denn da“? Eine berechtigte Frage.
Auf der Suche nach einem Ort der Ruhe, fern von den täglichen Pflichten und Herausforderungen im Alltag und Beruf geht es mir nicht primär um das Göttliche, sondern um etwas ganz wertvolles: Zeit. Ich stelle mir die Frage: kann ich meine Komfortzone überhaupt verlassen bei einem so stark durchgeplanten Leben? An einigen Tagen hetze ich vom Job zur Kita, vom Spaziergang mit Hund zum Kinderturnen, von da aus noch einmal schnell in den Supermarkt, bevor das Abendprogramm mit Kleinkind beginnt. Das gibt mir das Gefühl, ich benötige mehr als 24 Stunden. So sehr ich mein Leben auch liebe, was für mich und für uns alle gilt: wir müssen regelmäßig unseren inneren Akku aufladen.
Neben dem Wunsch, dem Alltag kurz zu entfliehen, nehmen Interesse und Neugier einen großen Raum ein. Wie ist dieser Ort wirklich? Was macht so eine Auszeit mit mir? Kann ich mich darauf einlassen? Eine grobe Vorstellung habe ich bereits: viel Lesen, Schreiben, Abschalten. Stichwort „Digital Detox“: bewusst offline gehen, nicht erreichbar sein und keine digitalen Medien konsumieren. Vielleicht sind auch ein paar Sinnfragen mit im Gepäck und der Wunsch, mit neuen Impulsen nach Hause zu kommen. Meine Priorität: ich möchte diese Reise offen und ohne große Erwartungen antreten. Das ist die beste Voraussetzung für viele Lebenssituationen, denn jede Erfahrung, ob positiv oder negativ, kann uns etwas mit auf den Weg geben, uns stärken und wachsen lassen.
Abfahrt – Ich bin dann mal weg
Münster. Vorbei an der Hunte, entlang der Ems und unzähligen Feldern, biege ich an der Kaserne ab und komme an, am Benediktshof Verth 41. Es regnet heute in Strömen, die Wetteraussichten sind nicht sehr vielversprechend. Hier wirkt es zunächst wenig kirchlich. Ich parke mein Auto unweit vor dem Hof und blicke auf einen alten Fachwerkbau sowie auf eine große umgebaute Scheune. Eine kleine Holzbrücke führt mich durch den Garten und ich komme direkt ins Staunen: Natur pur. Strahlend bunte Wildblumen und ganz viel Grün. Meine Lieblingsfarbe, die mich immer glücklich stimmt. Grün ist nicht nur gut für unsere Augen, es ist die Farbe der ersten Blätter und Gräser im Frühling und steht damit symbolisch für die Hoffnung.
Eine faszinierend große Eiche. Viele Apfelbäume. Ein kleiner Teich mit Seerosen, umwachsen von Bambus. Eine kleine Kapelle. Ein Gartenhaus und unzählige Ecken zum Verweilen. Wildwuchs. Gleichzeitig wirkt hier alles so perfekt und gepflegt. Idyllisch und Verwunschen. Kaum angekommen lässt sich auch die Sonne wieder blicken und ich fühle mich gleich verbunden mit diesem Flecken Erde. Der Benediktshof ist ein Ort der Stille, der inneren Einkehr und Begegnungen. Hier wird ein achtsamer Umgang mit der Natur, dem Haus und allen Gästen gelebt. Eine Philosophie, die mich begeistert. Auch im Haus findet man hier viel Raum und Platz, den man für sich nutzen kann – in der Bibliothek, im Kaminraum oder in der Kapelle, um einen Moment Inne zu halten. Für mich beginnt nun mein Retreat.
Im Kaminraum werde ich mit weiteren neu angekommenen Gästen empfangen und herumgeführt. Im Wochenrhythmus finden hier Hofangebote wie z.B. Yoga, Meditation, Gottesdienst oder ein Taizé-Gebet statt. Mir wird gesagt, dass ich ganz frei entscheiden solle, wie ich diese Zeit hier nutzen möchte. Jeder Moment unseres Lebens ist einzigartig und kommt in der Form nie zurück – dies lässt sich auf diese Auszeit übertragen. Gedanklich blicke ich da auf meine drei Bücher, die ich mitgebracht habe und die gerade neben meinem Bett liegen. Ob ich überhaupt auch nur eine Seite umblättern werde?
Meditation, Wildblumen & Arbeitsexerzitium
Ich starte meinen ersten Tag im Benediktshof mit 90 Minuten Yoga am Abend. Meine Bücher bleiben zunächst unberührt. Dafür sammele ich meine Gedanken und falle ziemlich schnell in einen erholsamen Schlaf. Am nächsten Morgen findet um 7 Uhr eine gemeinsame Meditation statt und ich merke auch danach, wie ich mich nach Schlaf sehne. Ein erstes Zeichen, das mein Körper mir gibt: die eigenen Schlafgewohnheiten zu überdenken. Vormittags beginne ich nach einer Einführung mit meinem Arbeitsexerzitium. Das Kloster sieht täglich eine einstündige Arbeit am Hof vor. Das Konzept beinhaltet, dass man sich diese Arbeit selbst sucht, schaut wo hin es einen zieht, wozu man Lust hat und was einem gut tut. Achtsames Arbeiten. Es geht aber auch um das Fühlen und Spüren. Die Theorie klingt meist kompliziert, in der Praxis funktioniert es wunderbar, wenn man sich darauf einlässt. Angezogen vom bunten Wildblumenbeet, überrascht es mich, dass ich es schaffe, meine Gedanken komplett auszuschalten und mich danach viel freier fühle.
Sich „Zeit schenken“
Alle Gäste, so wie ich auch, haben unterschiedliche und meist private Beweggründe, diesen Ort aufzusuchen. Ein Bewohner des Hofes, den ich hier kennen lerne, besucht den Benediktshof seit über 20 Jahren und kommt mittlerweile gezielt zum Arbeiten. Jeder hat seine Geschichte und das macht ein Kloster meines Erachtens so besonders und magisch: Der Einzelne nimmt nach seinem Besuch vielleicht etwas für sein Leben mit und lässt vielleicht auch einen kleinen Teil da. Hier ist jeder willkommen.
Ich betrachte das Kloster nach meinem Kurzaufenthalt mehr als positiv. Im Fokus stehen für mich die Worte „Begegnungsstätte und Kraftzentrum“: Begegnungen können unser Leben beeinflussen und als Chance wahrgenommen werden. Von einigen Gesprächen nehme ich viel mit. Ein Kraftort gibt uns Raum, um Inne zu halten, Zeit bewusst zu nutzen, neue Energie zu schöpfen und einmal „durchzuatmen“. Resümierend: Für den Klosteraufenthalt sowie auch für unser Leben gilt: Alles kann, nichts muss und es liegt an einem selbst, wie man die Dinge im Leben angeht. Ich habe die Menschen hier sehr offen erlebt und gemeinsam haben wir wohl, dass wir diesem Platz ehrenvoll begegnen und uns „Zeit schenken“ – mit Gott, zu Gott oder auch nur mit uns selbst. Die Erfahrung bleibt letztendlich intim. So auch meine Impulse und Antworten, die ich hier gefunden habe.
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