Hand aufs Herz: wann hast du das letzte Mal einen persönlichen Brief geschrieben? Persönliche Zeilen auf Briefpapier, verfasst mit einem Füller oder einem Stift, mit dem sich schön schreiben lässt. Wann hast du dich das letzte Mal wirklich in Ruhe hingesetzt und hast Dir die Zeit dafür genommen, jemandem eine handgeschriebene Nachricht zukommen zu lassen? Wann hast Du das letzte Mal deine Gefühle und Empfindungen festgehalten? Einen sorgfältig verfassten Brief gefaltet, in den passenden Umschlag gesteckt und mit freudiger Erwartung darauf, dass eine bestimmte Person bald eine Nachricht von dir erhält zur Post gebracht? Vielleicht auch schon mit freudiger Erwartung auf eine Antwort.
Wann war das? Irgendwie weiß ich das selbst fast nicht mehr. Es liegt so lange zurück. Briefe schreiben klingt retro und ist es mittlerweile auch. Unser Kommunikationsverhalten hat sich komplett verändert. Wir kommunizieren digital. Willkommen im Zeitalter von WhatsApp. Ob nun über SMS, E-Mail oder über die sozialen Netzwerke, es geht einfach schneller. Und erreichbar sind wir ja auch alle fast rund um die Uhr.
Fakt ist: Unsere Zeit ist schnelllebig. Und da ist auch meines Erachtens die Erklärung: Unsere Zeit. Zeit hat heutzutage nämlich niemand mehr. Zu viele Pläne, zu viele Ziele, zu viele Möglichkeiten, zu viel „zu viel“. Und einen handschriftlichen Brief zu verfassen kostet nun einmal Zeit. Und die haben wir nicht. Ein persönlicher Brief schreibt sich nämlich nicht in Eile – Gedanken müssen geordnet und in Worte formuliert werden und wenn von Hand geschrieben, dann auch in schöner Schrift.
Rückblick: Meinen letzten persönlichen Brief habe ich in meiner Kindheit geschrieben. Ich habe buntes Briefpapier in unterschiedlicher Ausführung, mit Blumen oder Mustern. Ich sitze am Schreibtisch und überlege, welches schöne Briefpapier ich denn nehmen solle. Ich schreibe viele Briefe. An Verwandte, Freunde, Brieffreunde. Ich schreibe mühevoll in schönster Schrift lasse meinen Gedanken freien Lauf. Aufgeregt gucke ich nach dem Versandt jeden Tag in den Briefkasten, voller Vorfreude und Neugierde, ob mich eine Antwort ereilt. Da kommt Nostalgie auf.
Briefe gelten als Spiegel der Seele. Erlebtes wird niedergeschrieben, Gefühle zum Ausdruck gebracht. Der Leser erfährt die Sinnesempfindungen des Verfassers und kann zwischen den Zeilen lesen. Briefe können so viel mehr ausdrücken als ein Emoji bei WhatsApp. Ich persönlich liebe das geschriebene Wort, denn Schreiben bedeutet für mich Erfüllung und Kreativität. Vom selbstgekauften Briefpapier ging es in den 90ern für mich schnell über zur Schreibmaschine, wo ich erste Kurztexte tippte und meine Briefe maschinell verfasste. Mit dem Computer und dem Handy erreichte die Kommunikation dann eine ganz neue Ebene. Alles ging plötzlich schneller und wurde einfacher und ist jetzt in erster Linie eines: unpersönlicher. Und von heute auf morgen schrieb man dann plötzlich keine Briefe mehr. Der Brief scheint von der Bildfläche verschwunden zu sein.
Je mehr ich darüber nachdenke sehne ich mich gerade nach Langsamkeit und Entschleunigung. Nach Ruhe und vor allem danach, dass wir uns wieder mehr Zeit dafür nehmen, nicht digital zu kommunizieren. Damit möchte ich nicht sagen, dass wir alte Brieffreundschaften wieder neu aufleben lassen müssen. Und auch die Kommunikation über soziale Medien, WhatsApp und Co. bietet enorme Potentiale, macht Spaß und auch vieles einfacher im Leben. Aber vielleicht schicken wir mal eine Sprachnachricht weniger, nehmen uns einen Moment Zeit, kehren in uns und machen einer Person, die uns wichtig ist eine Freude und schreiben ihr einen persönlichen Brief. Und um der alten Zeiten willen kaufen wir vielleicht auch schönes Briefpapier – nicht online – sondern in einem richtigen Schreibwarengeschäft.
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